Thailand-Report, Juni 2010

Liebe Vereinsmitglieder „Goldkinder“, liebe Freunde, Interessenten, Sympathisanten der Goldkinder,

Die Anrede muß ich mir immer neu überlegen, denn jeder unterstützt unser Kinderprojekt auf seine Art und ich möchte keinen vergessen. So, wie ihr auch unsere Kinder nicht vergessen solltet. Ich habe lange nichts von mir hören bzw. lesen lassen. Eine E-mail-Anfrage, warum es 2010 noch keine aktuellen Berichte im Internet gibt, nehme ich nun gleich zum Anlaß, ganz schnell unsere Website zu aktualisieren.

Es ist genau das Gegenteil der Fall !!  Unsere Arbeit und Unterstützung hat dermaßen zugenommen, dass verständlicherweise viel mehr Zeit dafür aufgewendet werden muss und die Zeit für das Administrative kaum mehr reicht. Aber besser so, als umgekehrt ! Unsere Kinder sind auf alle Fälle die Nutznießer !
Was ist nun in der Zwischenzeit alles passiert ?
Das letzte Mal habt Ihr zur Jahreswende von mir gehört. Seitdem ist viel geschehen, leider auch viel Trauriges , aber auch Hoffnungsvolles !

Im Januar bekam ich die erschütternde Nachricht, dass kurz vor Weihnachten durch ein Feuer drei wichtige Räume im Projekt abgebrannt sind, das Lager (mit vielen lebensnotwendigen, neu gekauften „Alltagsdingen“ für die Kinder wie Schulhefte, Stifte, Hygieneartikel) … nie hatten sie so ein volles Lager gehabt, ich habe es kurz vorher noch erfreut registriert und fotografiert.
Dann sind auch das Krankenzimmer, wo die kranken Kinder von einer angelernten Krankenschwester versorgt werden und die beliebte Kinderbibliothek abgebrannt. Nun muß man sich unter einer Bibliothek nicht das vorstellen, was wir gewöhnt sind. Aber es war ein Raum mit vielen alten Zeitungen, Zeitschriften, Comics und auch ein paar Büchern.
Ich habe selbst ein paar Märchenbücher angeschafft und mit Freude gesehen, wie die Kinder in der Freizeit auf dem Fussboden saßen und versunken waren in einer Welt, die ihnen sonst nicht zugänglich ist.
Zum Glück ist bei dem Brand kein Kind zu Schaden gekommen, wahrscheinlich war es sogar ein Kind (Monkey), was den Brand durch „ Zündeln “ verursacht hat.
Monkey ist ein sehr schwieriges, kaum resozialisierbares Kind, er hat eine schreckliche Lebensgeschichte mit seinen 11 Jahren hinter sich. Natürlich wird er nie zugeben, dass er es war und warum er es getan hat. Fakt ist, es ist ein riesengroßer Schaden entstanden, es war absolut nichts mehr zu retten von den drei Räumen. Die Fotos haben mich erschüttert.

Im Februar bekamen wir  in unserem Gästehaus in Ko Lanta den lange angekündigten Besuch von Kinderdorfleiter Ngaow mit seiner frisch vermählten Frau. Sie haben, wie berichtet, im Dezember im Projekt eine sehr schöne (christliche) Hochzeit mit ihren 130 Kindern gefeiert.
Wie hübsch die Kinder anzusehen waren auf den Fotos, mit welch einfachen Mitteln sie so ein tolles Fest gefeiert haben, das war Grund für mich zu großer Freude und Dankbarkeit !
Eigentlich wollte Ngaow eine Woche bei uns zum Relaxen im Gästehaus auf Ko Lanta bleiben.Er kam sehr überraschend einen Tag früher und wir hatten nur ein kleines Zimmer von unserem Personal für ihn, seine Frau und seinen Freund. Am nächsten Tag konnte er dann umziehen in ein Gästezimmer, er war total begeistert von der Insel und vom Meer, schwärmte und zeigte sich sehr dankbar.
Wir waren sehr froh, ihm dies alles bieten zu können. Schließlich hatte er seit 10 Jahren nie Urlaub oder ein Privatleben gehabt.

Um so überraschter waren wir am nächsten Morgen, als er uns mitteilte, dass er schon wieder abreisen müsste. Er hatte uns nicht verraten, dass er eigentlich nur auf der Durchreise war. Zusammen mit seinem Freund, einem Polizisten, wollte er zur malaysischen Grenze, um einen Jungen abzuholen, der zwei Jahre zuvor von Gangstern verschleppt worden war und sich telefonisch bei Ngaow gemeldet hatte. Er war vorher im Kinderprojekt in Mae Sai gewesen und hatte Ngaow angefleht, ihn abzuholen.
In Malaysia war er zu kriminellen Arbeiten gezwungen worden und hatte ein unerträgliches Leben. Nach zwei Jahren war es ihm endlich gelungen, Verbindung mit Ngaow aufzunehmen. So machte dieser sich auf den Weg von Nordthailand zur malaysischen Grenze in Südthailand, immerhin über 2.000 km, das alles mit dem Auto des befreundeten Polizisten.
Leider haben sie den Jungen nicht zurückführen können, trotz bester Absichten und mit großem Aufwand. Der Junge wurde nicht zum verabredeten Treffpunkt gelassen, er wurde weiter festgehalten.
Eine bittere Geschichte, aber wie Ngaow uns berichtete, durchaus kein Einzelfall, sondern sie  entspricht dem Alltag des Kinderhandels im großen Stil.

Im März besuchten Günter und ich unsere Kinder in Mae Sai, um vor unserer Rückkehr nach Deutschland  nochmals Sachspenden und Geldspenden zu übergeben.
Wir fanden die Kinder und das Projekt in einem ausgesprochen erfreulichen Zustand vor ! Die Kinder hatten gerade für zwei Monate Ferien und ca. 50 % waren in einem Zustand großer Vorfreude, da sie für einen Monat in ihre Familien zurückkehren würden. Die andere Hälfte der Kinder war natürlich ebenso traurig, wie die anderen erfreut, dass sie kein Zuhause mehr hatten, wo sie wenigstens einen Teil der Ferien verbringen könnten.
Besonders Günter registrierte mit Anerkennung, dass sich baulicherseits seit seinem letzten Besuch sehr viel getan hatte. Für das Personal waren mehrere Lehmhütten entstanden, die Unterkünfte der Kinder hatten sich verbessert, überall waren kleine Gärten angelegt und wurden von den Kindern gepflegt.
Insgesamt herrschte eine glückliche, harmonische Stimmung in dieser einzigartigen „Großfamilie“.

Mit unserer Spendenübergabe von 5. 000 Euro konnten wir  natürlich auch noch einen entscheidenden Beitrag zur Glückseligkeit der Kinder leisten.
Davon waren 2.500 Euro von der Organisation „ Step by Step“, die mit uns Kontakt aufgenommen hatte, weil sie meinten, unsere Arbeit in Mae Sai entspräche ihren Vorstellungen von „hilfebedürftigen, hilfewürdigen “ Projekten. Ein ganz großer Glücksfall für unsere Kinder ! Ein Riesendankeschön an dieser Stelle noch mal an Anja Domke von „Step by Step“.

Zurückgekehrt nach Deutschland waren wir hochmotiviert, so weiterzumachen wie bisher, unsere Arbeit hier fortzusetzen und möglichst viele Menschen in unser Hilfsprojekt mit einzubeziehen.

Das scheint uns auch immer besser zu gelingen, denn mit unserer „Niederlassung “ in Münster steht uns eine tolle, engagierte Gruppe sehr liebenswerter und aktiver Menschen zur Seite.Ich konnte mich erst kürzlich in Münster bei meinem ersten Besuch und dortigen Zusammentreffen mit unseren neuen Mitgliedern davon überzeugen und bin sehr, sehr dankbar dafür !

Leider gab es Ende April in Mae Sai die nächste schicksalhafte Katastrophe.
Ein Sturm, gekoppelt mit einem heftigen Regen, hat unser Projekt heimgesucht und verheerende zerstörerische Wirkung hinterlassen. Die Dächer der Schlafräume der Kinder, des Speiseraums und der Aula wurden abgedeckt, der Regen überschwemmte die wenigen Habseligkeiten der Kinder und machte sie unbrauchbar. Erschütternde Bilder erreichten uns per Internet, verbunden mit einem Hilferuf um Sofortunterstützung.
Die Kinder hatten plötzlich kein Dach mehr über dem Kopf, so wie sie es aus ihrem früheren Leben schon kannten !
Sicher haben sie in der Situation ganz viel Angst gehabt. Auf den Fotos konnte man auch sehen, wie sie mitangepackt haben, um den Schaden zu begrenzen oder zu beseitigen. Selbst die Kleinen unter ihnen haben fleißig mitgeholfen, dass „alles schnell wieder gut wird“. Immerhin waren es „nur“ ca. 60 betroffene Kinder, der Rest war ja in den Ferien zu Hause.
Wir haben nicht lange gezögert und umgehend 3.000 Euro von unserem Spendenkonto überwiesen.
Wir hoffen und wünschen, dass sich der Zustand des Projektes bis heute wieder weitestgehend normalisiert hat.

Bleibt mir zum Schluß nur noch die Bitte, „uns“ nicht zu vergessen, auch wenn es unendlich viel anderes Elend gibt auf dieser Welt.
Dazu möchte ich aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zitieren:

„Jeder Mensch hat ein Recht auf Nahrung, Kleidung, Wohnung, und ärztliche Versorgung, außerdem ein Recht auf Bildung und Freiheit“ !

Für Millionen Kinder auf der Welt sieht die Wirklichkeit anders aus.
Sie wachsen unter menschenunwürdigen Bedingungen auf, die wir nicht hinnehmen dürfen.

Diesen Kindern möchte ich auch in Zukunft meine Arbeit widmen.

Herzlichst, Eure Gudrun Daugs

Wölfershausen, 13.06.2010

  • 30. Juni 2010